Mit bioenergetischen Zellanalysen findet man die Stoffbilanzen!
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Kapitel 7
Wasser- und
Elektrolythaushalt
Einteilung der Flüssigkeitsräume
Im menschlichen Organismus gibt es
verschiedene Flüssigkeitsräume (Abb.1 und 2). Diese sind einerseits voneinander
abgegrenzt, und die Zusammensetzung der darin enthaltenen Flüssigkeiten ist
unterschiedlich. Andererseits finden zwischen den Räumen Flüssigkeitsübertritte
statt. Wasser und kleine Ionen (Natrium, Kalium, Chlor) können schnell vom
interstitiellen Raum (siehe unten) in den intravasalen Raum übertreten und
umgekehrt. Die Grenze zwischen extrazellulärem und intrazellulärem Raum ist für
kleine Ionen schwerer zu durchdringen. Wasser kann leicht die Grenze zwischen
intravasalem und extravasalem Raum, sowie zwischen intrazellulärem und
extrazellulärem Raum überschreiten. Für größere Moleküle (Eiweiße und
künstliche Kolloide) stellt unter Normalbedingungen die Gefäßwand eine Barriere
dar. Flüssigkeitsansammlungen im Dritten Raum" sind weitgehend abgegrenzt
vom übrigen Organismus.

Abbildung 1: Übersicht über die Flüssigkeitsräume
Flüssigkeiten befinden sich:




Abbildung 3: Hämatokrit



Abbildung 4: Diagnostik und
Therapie
Für die Erkennung von Störungen des Wasser- und Elektrolytgleichgewichts ist die Untersuchung des Blutes erforderlich. Auch die Behandlung kann aus praktischen Gründen nur am Intravasalraum ansetzen (Abb.4).
Für die Erkennung von Störungen des Wasser- und Elektrolytgleichgewichts ist die Untersuchung des Blutes erforderlich. Auch die Behandlung kann aus praktischen Gründen nur am Intravasalraum ansetzen (Abb.4).
Elektrolytverteilung in den Flüssigkeitsräumen
Das hauptsächliche intrazelluläre
Ion (Ion = elektrisch geladenes Teilchen) ist das Kalium (K+), die
hauptsächlichen extrazellulären Ionen sind Natrium (Na+) und Chlorid
(Cl). Diese Verteilung ist wichtig für die elektrischen Vorgänge an
den Zellmembranen (Abb.5).


Abbildung 5: Elektrolytverteilung
in den Flüssigkeitsräumen. Angegeben sind die Konzentrationen in mVal/l.
Da sich die Konzentrationen in den
verschiedenen Flüssigkeitsräumen im Laufe der Zeit aneinander angleichen würden
(Kalium strömt laufend aus den Zellen heraus und Natrium hinein) gibt es einen
aktiven, energieverbrauchenden Mechanismus in den Zellmembranen. Er heißt "Na+/K +-Pumpe" und
befördert K+-Ionen in die Zellen hinein und gleichzeitig Na+-Ionen
heraus (Abb.6).


Anmerkungen zur Chemie: Die kleinste chemische Einheit eines Stoffes heißt Atom.
Mehrere Atome können sich zu einem Molekül verbinden. Das
können gleiche Atome sein (Beispiel: Sauerstoff = O2) oder
verschiedene (Beispiel: Wasser = H2O). Elektrisch geladene Atome
oder Moleküle heißen Ionen. Die Bezeichnungen Mol oder Milli-Mol(mMol)
bezeichnen die Stoffmenge. Val oder Milli-Val (mVal)
bezeichnen die Anzahl der elektrischen Ladungen, die ein Atom oder Molekül
trägt oder tragen kann. Bei chemisch "einwertigen" Ionen, das sind
die, welche mit einem (!) Plus- oder Minus-Zeichen versehen sind, dazu gehören
unter anderem die hier praktisch wichtigen Natrium, Kalium, und Chlor,
entspricht ein Milli-Mol (mMol) einem Milli-Val (mVal). Mehrwertige Ionen sind
"doppelt" oder sogar "dreifach" elektrisch geladen, zum
Beispiel das Magnesium-Ion Mg2+. Hier entspricht ein Milli-Mol 2
Milli-Val. Säuren bestehen sehr einfach definiert aus
Molekülen, die positiv geladene Wasserstoff-Atome (H+) abgeben
können.
Säure-Basen-Haushalt und Serum-Kalium
Eine Übersäuerung (= Azidose) der
Zellen, im allgemeinen als Laktat-Azidose bei Sauerstoffmangel des Gewebes (siehe Kapitel 8), bedeutet chemisch eine
Anhäufung von positiv geladenen Wasserstoff-Ionen (H+). Die H+-Ionen
treten ins Blut über und dessen pH-Wert sinkt (Blutgasanalyse). In den Zellen
konkurrieren die H+-Ionen mit den ebenfalls positiv geladenen
Kalium-Ionen (K+) und verdrängen diese aus den Zellen ins Blut.
Zusätzlich funktioniert in solchen Situationen die Na+/K+-Pumpe"
nicht mehr optimal. Die Folge ist ein Anstieg der Kalium-Konzentration im
Plasma. Intrazellulär besteht gleichzeitig ein relativer Mangel an
Kalium-Ionen. Bei einer Alkalose (Mangel an H+-Ionen) ist es
umgekehrt (Abb.7).
Wenn sich der Zustand des Patienten
bessert, geht die Azidose zurück und Kalium-Ionen strömen wieder aus dem Plasma
in die Zellen ein.


Abbildung 7: Azidose / Alkalose /
Kalium
Praktische Folgerung: Bei einer Azidose ist ein hoher Serum-Kalium-Wert durchaus nicht ungewöhnlich und sinkt im allgemeinen nach Ausgleich der Azidose wieder ab. Besteht während einer Azidose ein normaler Serum-Kalium-Wert, so muß während der Therapie der Azidose mit der Ausbildung einer Hypokaliämie (Serum-Kalium zu niedrig) gerechnet werden. Eine Hypokaliämie kann gefährliche Herzrhythmusstörungen begünstigen. Konsequenz: Häufige Kontrollen und gegebenenfalls Kaliumzufuhr.
Praktische Folgerung: Bei einer Azidose ist ein hoher Serum-Kalium-Wert durchaus nicht ungewöhnlich und sinkt im allgemeinen nach Ausgleich der Azidose wieder ab. Besteht während einer Azidose ein normaler Serum-Kalium-Wert, so muß während der Therapie der Azidose mit der Ausbildung einer Hypokaliämie (Serum-Kalium zu niedrig) gerechnet werden. Eine Hypokaliämie kann gefährliche Herzrhythmusstörungen begünstigen. Konsequenz: Häufige Kontrollen und gegebenenfalls Kaliumzufuhr.
pH-Abhängigkeit des Serum-Kalium-Werts
|
||||||||
pH-Wert
|
7,0
|
7,1
|
7,2
|
7,3
|
7,4
|
7,5
|
7,6
|
7,7
|
Serum-K+ (mVal/l)
|
6,7
|
6,0
|
5,3
|
4,6
|
4,2
|
3,7
|
3,2
|
2,8
|
Für chemisch oder mathematisch
Interessierte:
Der pH-Wert ist der negative
dekadische Logarithmus der Wasserstoff-Ionen-Konzentration: pH = _ log [H+]
Einfacher: Azidose = viele H+-Ionen
= niedriger pH
Alkalose = wenig H+-Ionen
= hoher pH
Der normale pH-Wert des Blutes ist
etwa 7,4.
Plasma und Serum: Plasma ist Blut ohne Erythrozyten. Serum ist der wässrige Rückstand, nachdem Blutplasma geronnen ist. Im klinischen Alltag werden beide Begriffe oft gleichbedeutend verwendet.
Wenn 2 Flüssigkeitsräume durch eine
Membran (z. B. Zellwand) getrennt sind, die nur für Wasser, aber nicht für
gelöste Teilchen durchlässig ist (halb-durchlässig = semi-permeabel), dann
versuchen die Konzentrationen gelöster Teilchen in den beiden Räumen sich
einander anzugleichen. Das heißt: Wasser strömt vom Raum niedrigerer
Konzentration in den Raum höherer Konzentration (Abb.8). Osmotisch wirksame Teilchen im
Organismus sind Atome und Ionen, sowie kleine Moleküle: Natrium, Kalium, Chlor,
Glukose, Harnstoff, und weitere. Die Kraft, mit der das Wasser vom Raum
niedrigerer Konzentration in den Raum höherer Konzentration strömt heißt osmotischer
Druck. Die Konzentration der gelösten osmotisch wirksamen Teilchen wird in
Milli-Osmol/Liter (mosml/l) angegeben und heißt Osmolarität. Die Unterscheidung
zwischen Osmolarität(Teilchen/Liter; Volumen!) und Osmolalität (Teilchen/Kilogramm;
Masse!) ist in der klinischen Praxis bedeutungslos.


Abbildung 8: Osmotischer Druck. In der hier dargestellten Laboranordnung strömt Wasser aufgrund des Konzentrationsunterschieds von links nach rechts. Der osmotische Druck hebt den Flüssigkeitsspiegel in der rechten Hälfte an.
Die osmotischen Kräfte erklären zum
Beispiel das Platzen der roten Blutkörperchen (Hämolyse) nach versehentlicher
Infusion von destilliertem Wasser oder nach Ertrinken in Süßwasser (siehe auch weiter
unten). Auch der Übertritt von elektrolytfreier Spülflüssigkeit in die Blutbahn
bei der Transurethralen Resektion von Prostatagewebe (TUR) kann zur Hämolyse
führen. Dieses Krankheitsbild heißt "TUR-Syndrom".
Da die Nieren den Harn
konzentrieren, ist die Osmolarität im Harn ungefähr zwei- bis dreimal so hoch
wie im Plasma.
Normalwerte:
Plasma: 290 bis 300 mosml/l;
Harn: 600 bis 900 mosml/l.
Die Messung der Serum-Osmolarität ist
hilfreich bei der Diagnose von Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts.
Die Messung der Urin-Osmolarität läßt
Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Nieren zu. Eine geschädigte Niere
kann den Harn nicht so gut konzentrieren und die Urin-Osmolarität sinkt. Bei
mangelnder oder völlig fehlender Konzentrationsfähigkeit der Niere gleicht sich
die Urin-Osmolarität der Serum-Osmolarität an ("Isosthenurie"). Dies
beobachtet man zum Beispiel regelmäßig in der Erholungsphase nach einem Akuten
Nierenversagen (ANV). Es werden große Mengen Harn niedriger Osmolarität
produziert ("Polyurische Phase").
Kolloidosmotischer Druck
Sind die in einer Flüssigkeit
gelösten Teilchen größere Moleküle (Kolloide) spricht man vom
kolloidosmotischen oder onkotischen Druck. Auch diese Teilchen können ähnlich
wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben Flüssigkeitsverteilungen
beeinflussen. Solche größeren Moleküle können unter Normalbedingungen die
Kapillarwände und Zellwände nicht durchdringen. Natürliche Kolloide im Plasma
sind die verschiedenen Eiweißstoffe, vor allem das Albumin. Unter krankhaften
Bedingungen kann die Durchlässigkeit der Kapillarwände zunehmen (näheres dazu
weiter unten und im Kapitel 13). Eiweißstoffe treten dann aus dem
Plasma in den interstitiellen Raum über und fördern dort die Ödembildung.
Therapeutisch nutzt man den
kolloidosmotischen Druck bei der Behandlung von intravasalen
Volumenmangelzuständen mit "künstlichen Kolloiden", wie zum Beispiel
Hydroxyäthylstärke (HÄS). Die HÄS-Moleküle verbleiben weitgehend im Gefäßsystem
und verhindern dadurch den Austritt des infundierten Wassers in den
interstitiellen Raum.
Humanalbumin-Infusionen? Zwischen Albumin und künstlichen Kolloiden besteht ein wesentlicher
Unterschied: Albumin ist sehr langlebig (über 2 Wochen). Bei kapillärem Leck (siehe Kapitel 13) treten Eiweißstoffe in
den interstitiellen Raum aus und fördern dort die Ödembildung. Wenn zusätzlich
Albuminlösung infundiert wird, verläßt auch sie in wesentlichem Ausmaß das
Gefäßsystem. Die Substanz kann aufgrund der Molekülgröße nicht über die Nieren ausgeschieden
werden. Durch die Langlebigkeit der Albuminmoleküle und die zusätzliche Bildung
von Bindegewebszellen (Fibrozyten) wird das Wasser im interstitiellen Raum für
sehr lange Zeit gebunden. Künstliche Kolloide sind je nach Präparat nur
wenige Stunden haltbar. Sie zerfallen in kleinere Bruchstücke und werden über
die Nieren ausgeschieden. In das Interstitium ausgetretene Moleküle werden also
nach kurzer Zeit aufgrund der abnehmenden Plasmakonzentration wieder
zurückströmen. Die Infusion von Humanalbumin soll in jedem Fall unterbleiben.
Die Wassereinfuhr über
Infusionen ist einfach meßbar. Dazu kommt noch das "Oxidationswasser"
(ca. 300 ml/Tag). Es entsteht im Organismus beim biochemischen Energieumsatz (siehe
Kapitel 8). Oral zugeführte Flüssigkeit kann nicht sicher bilanziert werden,
weil völlig unklar ist, welche Mengen im Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden.
Von der Ausfuhr können
wir in erster Linie die Harnmenge verläßlich messen (Anhaltswert: 100 ml/h =
2400 ml/Tag). Daneben gibt es Verluste aus Drainagen, über Stuhlgang,
Magensonde, usw. Diese Verluste kommen im allgemeinen aus dem "Dritten
Raum". Die "Perspiratio insensibilis" bezeichnet
den Wasserverlust durch Verdunstung über Haut- und Schleimhautoberflächen.
Dieser kann nur geschätzt werden. Als Anhaltswert kann man von einem Verlust
von ca. 500 ml in 24 Stunden über die Haut ausgehen. Beim spontan atmenden
(nicht intubierten) Patienten kommt noch einmal etwa die gleiche Menge über die
Lungen hinzu. Bei Beatmung mit angefeuchteten und erwärmten Gasen oder über
Filtersysteme ("heat and moisture-exchangers") kann die
Verdunstung über die Lungen vernachlässigt werden. Die Perspiratio
insensibilis ist von vielen, schwer erfaßbaren Einflüssen abhängig, wie
zum Beispiel Luftfeuchtigkeit und -temperatur, Luftbewegung, Körpertemperatur,
Mund- oder Nasenatmung, und andere. Durch die Perspiratio insensibilis geht nur
Wasser (also ohne Elektrolyte) verloren, weil Elektrolyte nicht verdunsten
können. Im Gegensatz dazu ist der Schweiß elektrolythaltig.
Letztlich sind alle Angaben über Flüssigkeitsverluste mit Ausnahme der
Harnmenge spekulativ.
Für die Therapieführung ist eine
ausgeglichene Wasserbilanz wesentlich (Bezeichnungen: positive
Bilanz = mehr Einfuhr als Ausfuhr, negative Bilanz = mehr Ausfuhr als Einfuhr).
Die Beurteilung der Einfuhr ohne Berücksichtigung der Ausfuhr, oder umgekehrt,
ist völlig sinnlos. Ebenso ist es falsch, bei Patienten, die durch
Überwässerung besonders gefährdet erscheinen (zum Beispiel
Linksherzinsuffizienz), lediglich die Einfuhr zu drosseln. Damit wird unter
Umständen sogar eine zusätzliche Niereninsuffizienz provoziert. Richtig ist
eine "normale" Wasser- und Elektrolytzufuhr und Sorge dafür, daß die
Ausscheidung und damit die Bilanz stimmt.
Da wir vieles nicht messen können,
muß der klinische Eindruck zu Hilfe genommen werden. Wenn z. B. ein Patient im
Verlauf der Behandlung immer mehr Ödeme entwickelt, wurden offensichtlich die
nicht meßbaren Verluste überschätzt. Zur Korrektur müßte in diesem Fall
"negativer" bilanziert werden. Sind Hinweise auf erhöhte Verluste
vorhanden (Temperaturerhöhung, Schwitzen, Durchfälle, usw.), darf die gemessene
Bilanz entsprechend positiver sein. Störungen des intravasalen Volumens,
die sich durch entsprechende "Kreislaufsymptome" (siehe Kapitel 2) bemerkbar machen, müssen in
jedem Fall sofort nach hämodynamischen Kriterien ausgeglichen werden.
Anhaltswert für eine normale"
gemessene (Infusionsmenge minus Harnmenge) Wasser-Bilanz beim
Intensivpatienten: + 500 ml/Tag.
Beispiel für eine "normale" 24-Stunden-Wasserbilanz:
EINFUHR
|
AUSFUHR
|
||
Infusionen, Trinken
|
2800 ml
|
Urin
|
2100 ml
|
Oxyd.Wasser
|
300 ml
|
Stuhl
|
100 ml
|
Perspiratio insensibilis
|
|||
Haut
|
500 ml
|
||
Lunge
|
400 ml
|
||
Summen
|
3100 ml
|
3100 ml
|
|
Bilanz +/-0
|
|||
Praktisch gerechnete Bilanz: 2800 ml Infusionen
minus 2100 ml Urin = +700 ml
|
Zahlenwerte für den Umsatz von Wasser und
der wichtigen Elektrolyte Na+ und K+ können
der folgenden Tabelle entnommen werden.
Anhaltszahlen für den Basisumsatz in 24 Stunden:
Wasser 40 ml/kg
3000
ml/75 kg

Natrium 2 mVal/kg
150
mVal/75 kg

Kalium 1 mVal/kg
75
mVal/75 kg

Für die Steuerung der Kaliumzufuhr sind
zwei Vorgehensweisen gebräuchlich:


Verluste über andere Wege werden
nicht erfaßt. Auf Kontrollen der Plasmawerte kann nicht verzichtet werden; bei
Intensivpatienten mindestens einmal täglich.
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