Dienstag, 27. Januar 2015

Ansturm auf Getränkemärkte

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Keime im Trinkwasser

Ansturm auf Getränkemärkte

 27.01.2015 2 Kommentare
Wasser © Ingo Moellers
Mehmet Ceylan vom Inkoop-Markt an der Bremer Straße füllt Mineralwasser nach. Die Paletten für stilles Wasser in Einwegflaschen bleiben dagegen noch bis Mittwoch leer. Dann soll Nachschub geliefert werden. (Ingo Moellers)
„Die Lage entspannt sich.“ Das erklärten am Montag die Stadtwerke Delmenhorst (SWD) auf ihrer Internetseite. Zwar hatten auch die neuesten Messergebnisse auf eine Belastung des Trinkwassers mit Fäkalkeimen – sogenannte E.coli-Bakterien (siehe Text unten) – hingewiesen, aber die Chloreinleitung zeige weiterhin Wirkung. Auch wenn weiterhin keine Gefährdung für die Bevölkerung bestehe, werde das Abkochgebot aufrecht erhalten, hieß es von den offiziellen Stellen. Warum, wenn doch keine Gefährdung vorliegt? „Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme“, betonte Petra Gerlach, Fachbereichsleiterin Gesundheit, Verbraucherschutz und Gefahrenabwehr. „Das Wasser ist derzeit trinkfähig“, sagte sie auf Nachfrage – dem Chlor sei Dank. Aber: Dabei dürfe man nicht vergessen, dass das Wasser in Delmenhorst generell „eine enorm hohe Qualität“ habe, andere Regionen müssten permanent Chlor ins Trinkwasser einleiten, um es keimfrei zu halten.
Einen Verantwortlichen, der haftbar gemacht und von dem die Stadt Schadensersatz fordern könnte, gibt es offenbar nicht. Denn die Kühe, deren Kot ins Wasser gelangt sein soll, hätten sich in der Nähe des Brunnens I in Stuhr aufhalten dürfen. Einzig, dass sie es in diesem Winter konnten, das sei den Temperaturen geschuldet, erklärte Stadtwerke-Chef Hans-Ulrich Salmen. Dazu der enorm hohe Grundwasserstand und der viele Regen – das seien die entscheidenden drei Faktoren gewesen. Der Brunnen ist einer von insgesamt sieben, er war am Mittwoch vom Netz genommen worden, nachdem die SWD bei Routinemessungen die Verunreinigung bemerkt hatten. Diese Messung findet einmal pro Woche statt, Salmen geht aber aufgrund von Indizien davon aus, dass die Fäkalkeime am Montag in den Brunnen gelangt waren. Da seien sie allerdings noch nicht im Trinkwassernetz gewesen, wie nachfolgende Messungen ergeben hätten.
Foto zu erstem Schritt zu neuem Mutter-Kind-Zentrum © frei
Dr. Johann Böhmann. (frei)
Wie Petra Gerlach schilderte, lägen erst nach 48 Stunden „gesicherte Messergebnisse“ vor. Nachdem also am Mittwoch der Brunnen vom Netz gegangen war, sei das Abkochgebot am Freitag erlassen worden, nachdem die Bestätigung der Mittwoch-Proben vorlag. Der Maßnahmenplan habe gegriffen. So sieht es auch SWD-Aufsichtsratsvorsitzender Sascha Voigt, der mit seinen Kollegen am Donnerstag über das Thema sprechen will. „Der Aufsichtsrat kann die Geschäftsleitung befragen und sich ein Bild machen.“ Sein Eindruck sei, dass man für die Verunreinigung des Trinkwassers keinem die Schuld zuweisen könne und auch Informationen hätten nicht schneller fließen können.
Mineralwasserbestände aufgekauft
Viele Delmenhorster haben sich seit dem Wochenende vorsorglich mit Mineralwasser eingedeckt. Einen regelrechten Ansturm auf stilles Wasser hat es am Sonnabend in den Inkoop-Märkten gegeben. „Die Kunden haben sofort darauf reagiert, nachdem das bekannt wurde“, erzählte Geschäftsführer Bernd Oetken. Sie hätten sich vorwiegend auf die Einweg-Ware gestürzt, sodass diese schnell ausverkauft gewesen sei. Auch jetzt herrscht in der Getränkeabteilung der Inkoop-Märkte noch ein Leerstand bei den PET-Wasserflaschen. „Wir konnten so kurzfristig gar nicht mehr reagieren und die Bestände nachfüllen“, sagte Oetken. Ab Mittwoch sollen dann aber auch die ausverkauften Einwegflaschen wieder vorrätig sein.
Das Backwaren-Werk CSM hat seit der Bekanntmachung die Probeuntersuchungen der hergestellten Produkte intensiviert, teilte CSM-Sprecherin Sandra Häming mit. „Zum anderen werden unsere Produkte bei der Herstellung entweder pasteurisiert oder frittiert.“ Bei beiden Prozessen würden mögliche Keime und Bakterien durch die Hitze vernichtet. „Und für die Reinigung der Produktionsanlagen nutzen wir Wasser, das mindestens auf 80 Grad erhitzt wird, sodass alle Keime und Bakterien abgetötet werden“, erklärte Häming. Ein logistischer Mehraufwand sei durch die Verschmutzung des Trinkwassers also nicht gegeben.
Kritik wurde unterdessen an der Informationspolitik von Stadt und Stadtwerken laut. So wünscht sich etwa Wilhelm Haferkamp sen., Vorstandsmitglied der Bäcker-Innung, schnellere und gezieltere Aufklärung und Information, gerade für die Lebensmittel erzeugenden Betriebe: „Wir sind nicht gezielt informiert worden.“
Im Klinikum Delmenhorst geht man derzeit gelassen um mit der Situation. „Wir haben sofort alle notwendigen Vorkehrungen getroffen und alle Mitarbeiter informiert“, sagte Mandy Lange, Sprecherin des Klinikums. Hygiene sei im Klinikum immer das A und O, zwei Fachkräfte und eine Ärztin, die als Hygienebeauftragte fungieren, kümmern sich speziell um dieses Thema. Trinkwasser – etwa für Tee oder Kaffee – werde derzeit abgekocht, gleiches gilt auch in der Großküche bei der Zubereitung der Speisen. Die Patienten haben fürs Zähneputzen zudem Mineralwasser gestellt bekommen. „Das ist zwar insgesamt eine logistische Herausforderung, aber es geht alles seinen geregelten Gang“, sagte Lange.
Ähnlich sieht es auch Thomas Breidenbach, Geschäftsführer im St-Josef-Stift: „Es bedeutet in der Organisation einen Mehraufwand, wir haben umfangreiche Maßnahmen eingeleitet.“ Mit dem Thema Hygiene befasse man sich aber stets intensiv. Wasser, das für die Zubereitung von Speisen und Getränken gebraucht werde, müsse jetzt vorab zweimal abgekocht werden, alle Patienten seien aufgefordert worden, ihre Mundhygiene mit Mineralwasser vorzunehmen, das in entsprechenden Mengen gestellt worden sei. „In den OP-Sälen ist das verunreinigte Wasser überhaupt kein Thema“, erläuterte Breidenbach, da werde stets nur steriles Wasser verwendet.
Stilles Wasser für Mundhygiene
Im Rote Kreuz Stift, dem Pflegeheim an der Deichhorster Straße, hat DRK-Geschäftsleiter Michael Pleus die Sache selbst in die Hand genommen, nachdem die Meldung der SWD bekannt wurde. „Schnell und sicher“ alle Vorkehrungen treffen, Bewohner und Mitarbeiter informieren, Anweisungen für die Hygiene geben, das sei gefordert gewesen. Bei einigen Bewohnern sei das aufgrund von Demenz mitunter schwierig, aber die Mitarbeiter hätten da ein Auge darauf. „Das Thema Hygiene steht immer obenan, erst in der vergangenen Woche hat es wieder eine spezielle Schulung gegeben“, erläuterte Pleus. Eine der ersten Maßnahmen: Die Getränkespender, an denen sich die Bewohner ein Gemisch aus Wasser und Saft holen können, wurden eingesammelt, gereinigt und mit abgekochtem Wasser befüllt. „Jeder Bewohner hat für die Mundhygiene zudem stilles Wasser bekommen“, sagte Pleus. Der Vorrat habe ausgereicht, am Montag sei dann eine zusätzliche Lieferung geordert worden. „Panikmache ist sicher falsch, aber es gilt, alle Vorkehrungen zu treffen, so wie es das Gesundheitsamt vorsieht“, machte der DRK-Geschäftsführer klar.
Auch die 60 Bewohner des Erwin-Pelka-Hauses sowie die weiteren 100, die im August-Jordan-Heim leben, putzen ihre Zähne aktuell mit stillem Wasser, auch die Getränkespender sind nun mit Mineralwasser gefüllt, in der Großküche wird das benötigte Wasser stets abgekocht, wie Geschäftsführer Christian Baars sagte. Keine großen Probleme, bei der nächsten Bestellung von Mineralwasser werde lediglich ein größerer Posten angefordert werden müssen.

Klassisches Darm-Bakterium

Dr. Johann Böhmann über E.coli und mögliche Auswirkungen

Escherichia coli (E.coli) ist ein Bakterium, das vorwiegend in menschlichem und tierischem Darm vorkommt. „Das ist sozusagen das klassische Bakterium aus dem Klo-Bereich“, sagt Dr. Johann Böhmann, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Delmenhorst. Die E.coli-Bakterien im Darm haben verschiedene Aufgaben. „Sie steuern beispielsweise das Immunsystem oder produzieren Vitamine“, berichtet Böhmann. „Das ist an sich harmlos.“ Aber es gebe verschiedene Stämme des Bakteriums, von denen einige auch schädlich sein könnten.
Ob man durch die Einnahme des verunreinigten Trinkwassers wirklich krank wird, hängt auch von der Menge ab, die man als Mensch davon einnimmt. Mögliche Auswirkungen könnten Magen-Darm-Infektionen sein, mit Begleiterscheinungen wie Übelkeit oder Durchfall. Dafür müsse man aber schon eine ganze Menge von dem Bakterium einnehmen, erklärt der Chefarzt. Eine solche Magen-Darm-Infektion könne dann auch ansteckend sein, aber nur über die eigenen Ausscheidungen. „Das ist anders als beim Noro-Virus oder anderen Magen-Darm-Viren.“
Problematisch könne die Einnahme der E.coli-Bakterien allerdings für Menschen werden, die ohnehin gesundheitliche Probleme hätten, sagt Böhmann. Auch zum Reinigen von Wunden dürfe das verschmutzte Wasser besser nicht verwendet werden. „Die Bakterien könnten ansonsten böse Infektionen verursachen.“
An sich sei das Ganze aber keine so dramatische Sache, findet der Chefarzt. In geringer Menge seien die Bakterien ohnehin im Trinkwasser. Um sich vor einer möglichen Infektion zu schützen, reicht es schon, das Wasser vor der Einnahme abzukochen. „Die Bakterien werden schon durch leichtes Erhitzen abgetötet“, erklärt Böhmann.

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