Das Wasser muss man behandeln!
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In den Armenvierteln dieser Erde sind Plastiktüten ein beliebter, aber leider schlechter Toilettenersatz. Nach dem erledigten Geschäft wird der Beutel zusammengeknotet und landet als Müll am Straßenrand oder auf dem nächsten Hausdach.
Das ist nicht nur ziemlich unappetitlich, sondern auch eine große Gefahr für die zweieinhalb Milliarden Menschen weltweit, die keinen regelmäßigen Zugang zu sanitären Einrichtungen haben. Durch den Kot auf den Straßen und in den Abwässern verbreiten sich Keime in Windeseile. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO kann schon ein Gramm Fäkalien zehn Millionen Viren, eine Million Bakterien, mehrere tausend Parasiten und hunderte Wurmeier enthalten.
Eine häufige Folge sind Durchfallerkrankungen, an denen jährlich 3,5 Millionen Menschen sterben – vor allem Kinder. Außerdem entstehen durch mangelnde Hygiene Cholera, Polio und Unterernährung. Nicht nur Menschen, auch die Wirtschaft leidet. Die Weltbank schätzt den Schaden für die Wirtschaft der Entwicklungsländer in Afrika und Asien auf mehr als 260 Milliarden Dollar pro Jahr.
Eine kluge wie einfache Lösung, um die Hygiene in den Slums und Flüchtlingslagern zu verbessern, kommt vom Stockholmer Architekt Anders Wilhelmson. Der Schwede hat eine hygienische Alternative entwickelt, die erst einmal unscheinbar wirkt. Kleine weiße Tüten mit einem grünen Schriftzug namensPeePoo (Englisch für Pipi und Aa).
Warteschlangen vor öffentlichen WCs
Lustiger Name, geniale Idee: Eine chemische Mischung in der Tüte tötet alle Keime ab und verwandelt die menschlichen Ausscheidungen innerhalb weniger Wochen in Dünger. Eine Besonderheit: Die schwedische Erfindung braucht dafür kein Wasser. Die Peepoo-Beutel selbst lösen sich rückstandsfrei auf – schon innerhalb eines Jahres. Kostenpunkt: drei Cent pro Stück. Selbst für die Slum-Bewohner ist das erschwinglich.
Ursprünglich wollte Anders Wilhelmson eigentlich gar keine modernen Toiletten, sondern neue Hütten für die Slums in Mumbai entwerfen. Vor Ort stellte er dann fest, dass die Behausungen bereits gut durchdacht sind, die sanitären Einrichtungen dagegen eine Katastrophe. Mehrere Stunden muss man vor den wenigen öffentlichen Toiletten anstehen. Die Frauen leben in ständiger Angst vor sexuellen Übergriffen. Kinder sterben an Cholera und Typhus.
Nach diesen Eindrücken entschied sich der schwedische Professor für die Entwicklung einer neuen Klo-Generation. Schnell erkannt er die Schwierigkeiten: Wasser ist in den ärmsten Ländern der Erde knapp. Auch Infrastruktur mit Rohrleitungen gibt es kaum. Europäische Toiletten-Konzepte wären also fehl am Platz.
Große Hilfsorganisation setzen auf PeePoo
Fast fünf Jahre tüftelte er zusammen mit Wissenschaftlern an verschiedenen Prototypen. Unterstützt von privaten Spendern, parallel zu seiner Arbeit als einer der gefragtesten Architekten seiner Heimat. Als Charity-Projekt hat Wilhelmson PeePoo nie gesehen, sondern als eine Firma mit klaren Zielen: Hygiene verbessern und Geld verdienen.
Seine Kunden sind in erster Line Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oderOxfam. Sie nutzen die Beutel-Toiletten inzwischen sehr intensiv. Oxfam und das schwedische Rote Kreuz verteilen sie beispielsweise in Kenias Slums Kibera und Kisumu, vor allem in Schulen.
Auch in die Flüchtlingslagern in Syrien und Pakistan hat die schwedische Firma Beutel geliefert. Dort sind Hygieneprobleme und die dadurch entstehenden Krankheiten Todesursache Nummer eins. Doch die humanitäre Hilfe ist nur eine Idee. Eigentlich will man bei dem schwedischen Startup weg vom Konzept des milden Gebers und lieber Geschäftspartner für die Slumbewohner sein.
Denn die Beutel-Toiletten sollen ihnen eine berufliche Perspektive eröffnen. Frauen verkaufen die PeePoos in den Armenvierteln weiter und verdienen sich etwas dazu. Auch die benutzten Tüten bringen Geld. Denn der Dünger aus menschlichen Exkrementen ist bei Landwirten und Dünger-Firmen beliebt.
Um den Absatz zu steigern, wurde sogar ein ansprechenderes Design entwickelt und die Nutzbarkeit weiter verbessert. Man will den Kunden schließlich ein attraktives Produkt bieten. Und das funktioniert: Die Akzeptanz für die Tütentoiletten ist hoch. Die Bekanntheit steigt immer weiter, dank der Hilfsorganisationen und dank der Händlerinnen.
Beutel-Toiletten sind nur Übergangslösung
Eine globale Trendwende in Sachen Hygiene hat PeePoo aber noch lange nicht geschafft. Eigentlich war es ein Entwicklungsziel der Vereinten Nationen bis 2015 die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sanitären Anlagen zu halbieren. Seit Jahren gab es aber keinen entscheidenden Schritt in diese Richtung. Auch die schwedische Idee sehen viele Experten nur als Übergangslösung.
Denn eine konsequente Sanitärversorgung würde viel Geld kosten und bräuchte einiges an Infrastruktur wie zum Beispiel Wasserleitungen oder Toiletten. Auch lassen sich Konzepte aus Industrieländern nicht eins zu eins übertragen. Selbst bei Hightech-Ideen wie Solar-Toiletten oder der Nutzung von Urin als Wasserersatz krankt es oft an der technischen Umsetzung und Instandhaltung. Hygiene ist außerdem in vielen Kulturkreisen ein Tabu-Thema und geniest bei den lokalen Regierungen keine große Priorität.
Eigentlich schade, denn laut Weltbank ist Entwicklungshilfe gerade in diesem Bereich besonders effektiv. Jeder US-Dollar, der in sanitäre Anlagen fließe, zahle sich in fünffach aus.
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